Zauberwürfel oder Internet? Diskussionen rund um den ITB-Kongress

Zauberwürfel oder Internet? Diskussionen rund um den ITB-Kongress

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„Sharing Economy: Hype oder Paradigmenwechsel im Tourismus?“ Das ist der Titel der Auftaktveranstaltung zu einer Reihe von Vorträgen und Diskussionen rund um die Sharing Economy im Rahmen des diesjährigen ITB-Kongresses. Ist die Sharing Economy wie der „Zauberwürfel“, der für eine kurze Zeit modern war und dann sang- und klanglos wieder verschwand? Oder wie das Internet, eine Neuerung, die sich nachhaltig durchsetzte und heute aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken ist?

Die Antwort ist zumindest im Bereich privater Unterkünfte schnell gegeben: Gestützt auf eine Umfrage des „Stern“, die in Zusammenarbeit mit der Hochschule Worms durchgeführt wurde, kam zum Beispiel heraus: Die Einstellung der Befragten gegenüber dem Angebot ist durchweg positiv: Fast Dreiviertel der Befragten hat bereits mindestens einen Aufenthalt über eine der Plattformen Airb’n’b, wimdu oder 9flats gebucht.

Fast jeder gab als Hauptmotiv an, dass er oder sie beim Reisen Geld sparen möchte. Denn Privatunterkünfte sind deutlich preiswerter als Hotelzimmer, gerade wenn man zu mehreren unterwegs ist und sich die Kosten teilen kann. Auf Rang zwei mit 74,3 Prozent gaben die Nutzer an, dass sie Privatwohnungen für gemütlicher als Hotelzimmer halten. Auf den üblichen Hotelservice wie Gepäck aufs Zimmer bringen, Frühstücksbüffet und Rezeption können die meisten verzichten. Die Vermittlungsplattformen werden fast ausschließlich für Privatreisen genutzt, meist für eine Städtereise ins Ausland und ab einer Dauer von mindestens fünf Tagen.“Privatunterkünfte werden von Reisenden zunehmend geschätzt und genutzt”, sagt Roland Conrady, Professor am Fachbereich Touristik und Verkehrswesen an der Hochschule Worms auf dem Kongress. “Die klassische Hotellerie muss dringend Strategien für diese neue Bedrohungslage entwickeln”.
(Quelle: http://www.stern.de/reise/service/airbnb-und-co-die-sharing-economy-bedroht-klassische-hotels-2176521.html)

Und tatsächlich: Die Hoteliers können sich warm anziehen. Am Donnerstag besuche ich die Podiumsdiskussion „Sharing Economy – Turbo oder Sprengsatz in Tourismusdestinationen“. Außer Professor Conrady, der heute in seiner Funktion als wissenschaftlicher Leiter des Kongresses die Veranstaltung moderiert, sind dabei: Burkhard Kieker, Geschäftsführer von visitberlin, Markus Luthe, Chef des Hotelverbands Deutschland e.V. , Dr. Jens Wohltorf, Mitbegründer des Chauffeur-Service-Portals Blacklane, der Jurist Dr. Jörg Kahler und 9flats- Geschäftsführer Roman Bach, der als Vertreter der Sharing Economy offensiv als „Herausforderer“ antritt.

Roman Bach wendet sich direkt ans Publikum. Will wissen, wie viele der versammelten ITB-Besucher in einer privaten Unterkunft abgestiegen sind. Ungefähr 20 Personen. Dann: Wie viele der Besucher haben pro Übernachtung mehr als 150 Euro gezahlt? Nur wenige Finger werden gehoben. Das sei im vergangenen Jahr noch ganz anders gewesen, sagt Bach. Ein klares Indiz dafür, dass die Vermittlungsplattformen eine echte Konkurrenz für die bestehende Hotelindustrie sind.

Wettbewerb sei ja nicht verboten, sagt Bach auch nach der Veranstaltung in mein Mikro. Sein 9flats sei – anders als z.B. Airb’n’b – auf Familien spezialisiert. Und auf die Vermietung ganzer Apartments. Zwei Drittel der Anbieter seien professionelle Vermieter.

Was mich stutzig macht: Julian Trautwein, der Pressevertreter von Airb’n’b, hatte wenige Stunden vorher beim „Pressefrühstück“ genau das Gegenteil behauptet. Seiner Meinung nach sei Airb’n’b keine direkte Konkurrenz für Hoteliers. Viele Airb’n’bler seien Reisende, die ohne dieses Angebot überhaupt nicht verreist wären. Außerdem blieben sie in der Regel länger. Airb’n’b sei also keine Konkurrenz, sondern eine Ergänzung zum bestehenden Angebot. „Wir machen den Kuchen einfach größer.“ Um eine Million Gäste pro Monat.

Ich bin – wieder einmal – irritiert: Wie passt das mit der ad hoc Befragung von Roman Bach zusammen? Ich jedenfalls bin früher bei einem Messebesuch wie diesem in einem Hotel abgestiegen. Jetzt wohne ich in einem über Airb’n’b gebuchten Appartement. In diesem Fall ist die Antwort eindeutig: Das Internetportal IST eine direkte Konkurrenz.

Eine Antwort

  1. Manuel
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    Ich stehe dem Thema Uber, Airbnb und Co. recht positiv gegenüber, auch wenn der Staat aus meiner Sicht fahrlässig handelt, indem er eine Regulierung verschläft. Mir fehlte in Ihrem Feature jedoch die ernsthafte Betrachtung aus Nutzersicht: Mir als privatem Endkunden ist es doch wurscht, in welchem rechtlichen Verhältnis er nun genau mit Airbnb verbandelt ist (oder auch nicht), ich hätte gern einfach eine günstige Schlafstätte. Haben Sie mal versucht, in einer beliebigen Stadt eine Schlafmöglichkeit für eine Familie online zu buchen? Lassen Sie mich kurz überlegen: schicke Fotos, Filtermöglichkeiten nach Anzahl zusammenhängender Schlafzimmer, Angaben zu WLAN und Küchenausstattung – auf welcher Hotelbuchungsseite finden Sie soetwas? Richtig, auf keiner. Aber auf Airbnb. Aus meiner Sicht räumen diese Portale den Markt von unten her auf und sorgen für Innovationen bei den eingesessenen Anbietern. MyTaxi ist ein ähnliches Beispiel, es dauerte ewig, bis Taxi Deutschland eine (nichtmal ansatzweise konkurrenzfähige) App anbot.

    Zudem vermischen Sie, wenn Sie etwa Car2Go und Helling in einen Topf werfen – das eine ist ein Konzern, das andere eine Vermittlungsplattform Selbstständiger.

    Langfristig wird den Leuten der Sharing-Aspekt egal sein. Es werden sich Firmen wie Car2Go durchsetzen, die eine deutlich bessere Dienstleistung bieten, als die alten Anbieter. Kein Wunder, dass Sixt schon gar kein eigenes Angebot entgegensetzt, die sind einfach bei DriveNow eingestiegen.

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